Univ.-Prof. Dr. Andreas Karwautz

Stellungnahme zu
Pro-Anorexia-Seiten

Pro-Anorexia-nervosa Seiten — Auseinandersetzung mit und Stellungnahme zu einem bisher bei uns zu wenig beachteten Phänomen.

Autoren: Elisabeth Bader & Barbara Novak
(aus dem Seminar WS 2004/05 an der MUW (Karwautz: „Aktuelle Aspekten der Essstörungen“)


                                       PROANOREXIA

                                                   - ihre Homepages und deren Gefahren

 

Wenn man das Internet durchstreift, um nach Informationen über Essstörungen, wie Anorexie oder Bulimie zu suchen, dann stößt man auch auf so genannte Proanorexia Homepages.

 

Die Verfasser solcher Seiten sind hauptsächlich junge Mädchen, die selbst von dieser Krankheit betroffen sind. Meistens sind sie sich der Ernsthaftigkeit von Anorexie gar nicht bewusst. Sie verkennen die fatale Tragweite ihrer autobiographischen Texte, die sie auch für andere zugänglich machen und setzen somit sich und andere massiven Gefahren aus.

 

Mit unserer Arbeit wollen wir die Inhalte solcher Seiten kurz beschreiben und kritisch Stellung beziehen.

 

1.) BEGRIFFSERKLÄRUNG PROANOREXIA

Proanorexia ist eine Verherrlichung der Magersucht bis hin zur fanatischen Hingabe an diese.

 

2.) INHALTE DER PROANOREXIA HOMEPAGES

Deborah POLLACK beschreibt unter anderem in ihrem Artikel „Pro-eating Disorder Websites: What Should be the Feminist Response?“ worum es in solchen Homepages geht wie folgt: „Navigating through hundreds of autobiographical narratives of girls and women describing their struggles with anorexia and bulimia, and their current choices to strive for society´s thinness ideal through self-induced starvation and/or purging was distressing to say the least. They share tips and „thinspiration“ with other likeminded readers, posted images of both waif-like models and „real-life“ anorexic women.....“

 

Anorexia-Nervosa stellt sich vor

 

Die Krankheit wird personifiziert und bekommt den Namen Ana.

Sie präsentiert sich als der beste Freund und klärt über die „wahren“ Gedanken von Freunden und Eltern auf. Diese finden einen hässlich und dick und lieben einen auch nicht wirklich.

 

„sicheres Essen“

 

Hier findet man Listen von fettarmen Speisen und genaue Kalorientabellen (bis hin zu Nährwertangaben von 1g Fett / Protein / Kohlenhydrate).

Gewarnt wird vor falschen Kalorienangaben auf den Verpackungen.

Auch gibt es Anweisungen für richtiges Kalorienzählen.

 

Dazu eine Auflistung, die wir im Internet gefunden haben.

 

1. Crystal Light

2. Diet Pop

3. V-8 Juice

4. Black Coffee

5. Sugar - Free Jello

6. Plain Air - Popped Popcorn

7. Herbal Tea

8. Caffeinated Tea

9. Egg Whites

10. Fat - Free Milk

11.Apples

12. Oranges

13. DillPickles

14. Celery

15. Unsweetened Apple Sauce

16. Sugar - Free Gum

17. Radishes

18. Sugar- Free Popsicles

19. Fat - Free candies

20. Water - Packed Tuna

21.Diet Hot Chocolate

22. Fat  - Free Salsa

23. Low - Fat Cup a soup (Chicken Noodle)

24. White Rice Plain

( vgl., www.raggedyana.homestead.com/SafeFoods.html )

 

Kalorienangaben:

 

1 gram of fat = 9 calories

1 gram of protein = 4 calories

1 gram of alcohol = 7 calories

( vgl., www.raggedyana.homestead.com/SafeFoods.html )

 

 

Tipps und Tricks

 

Um nicht entdeckt zu werden bekommt man hier Hilfe; wie zum Beispiel das Tragen weiter Kleidung oder die Vermeidung  gemeinsamer Mahlzeit.

 

Was tun, wenn der Hunger kommt?

 

Hunger wird als der Feind dargestellt, den es zu bekämpfen gilt.

Kann man sich ihm nicht widersetzen, werden Wiedergutmachungs-vorschläge genannt, wie etwa übertriebene körperliche Aktivität und die Einnahme von Appetitzüglern oder Abführmitteln.

 

 

Motivation

 

Um das Vorhaben der Betroffenen zu bekräftigen, findet man Fotos von Models und extrem abgemagerten Frauen, welche als Vorbild gelten sollen.

Auch Gedichte und Liedertexte, wie zum Beispiel „Porcelane“ von den Red Hot Chili Pepper) sollen zum Abnehmen anregen.

 

Chatroom

 

Im Chatroom haben die Betroffenen die Möglichkeit, ihre Sorgen, Ängste und Erfahrungen mit gleich Gesinnten zu teilen. Quälende Fragen werden hier beantwortet, ohne auf Verachtung zu stoßen.

 

„Man today was a bad day!!! I ate half a ham sandwich (I threw up what I could) 1/2 c. minestrone broth ( I only ate the broth of the minestrone soup), 5 skittles!!!! Im not happy with my self right now!“

 

Links

 

Angegeben werden Internetadressen zu den Kategorien Diät und Fitness.

 

 

3.) PROANOREXIA HOMEPAGES IM DEUTSCHSPRACHIGEN RAUM

Im deutschsprachigen Raum lassen sich eine große Anzahl von sehr informativen Internetseiten für Betroffene finden. Man kann sich hier über die Krankheit  und Erscheinungsbilder informieren.  Auch gibt es Links zu Beratungsstellen und Einrichtungen, wo man Hilfe zur Krankheitsbewältigung finden kann.

Mit Hilfe diverser Suchmaschinen ist es uns aber nicht gelungen, Homepages mit proanorektischen Inhalten zu
finden!

 

 

4.) WARNENDE HOMEPAGES  UND ARTIKEL

 

Im Internet sind glücklicherweise auch Homepages und Artikel zu finden, die ausdrücklich auf die Gefahren solcher Proanorexiaseiten hinweisen. Sie machen auf die unzähligen Risken aufmerksam und warnen Betroffene vor dem Hungertod. Abschreckend wirken sollen die Fotos von abgemagerten Frauen und Männern.


Siehe z.B.: Time Magazine Artikel

www.time.com/time/health/article/0,8599,169660,00.html

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

www.anorexicweb.com/anorexicweb.html (sehr grafikintensiv und nicht für Kinder unter 13 gedacht)

 

 

 

 

 

5.) ANDERE KRANKHEITEN VERHERRLICHENDE INTERNET SEITEN

Proanorexia Homepages sind bedauerlicher Weise nicht die einzigen Internet Seiten mit Krankheiten verherrlichenden Inhalten.

Ein erschreckendes Beispiel dazu sind Homepages, die Suizid verharmlosen, gar verherrlichen. Auch dort wird beschrieben,  welche Strategien man anwenden kann, damit niemand bemerkt, dass man ein Problem hat.

 

6.) KRITISCHE STELLUNGNAHME

 

Besorgnis erregend ist die Tatsache, dass die Verfasser und auch die Leser solcher Seiten eine absolut gefährliche Einstellung zur Anorexie haben, diese oftmals gar nicht als Krankheit anerkennen und sich der Begleiterscheinungen und Folgekrankheiten nicht bewusst sind.

 

„I was flipping through the channels on one of my days off not too long ago, and I saw this huge woman saying something along the lines of, "You skinny women need to be destroyed!". Why might that be? So obese people can feel better about themselves? I get this shit all of the time at work. I wait tables for a living (for now); why must so many women who have no self control take out their jealousy on women who do? I choose to take control every time I turn to mia.“

Dieses verzerrte Bild wird von dem sehr lieblich gestalteten Aufbau der Homepages und dem Informationsaustausch der Betroffenen selbst tatkräftig unterstützt.

Die Personen bestätigen sie noch zusätzlich in ihrem Abnehmwahn. So ist es beinahe unmöglich, sich der Krankheit bewusst zu werden und sich in Richtung Gesundung zu bewegen.

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass es extrem erschreckend ist und es sehr zum nachdenken anregt, dass sich so viele Jugendliche absolut nicht wohl in ihrem Körper finden, sich selbst nicht akzeptieren können und auch nicht wollen. So lebt eine große Anzahl leider eher das Leben verneinend als bejahend.


Anhang:
Eating Disorders and Pro-Anorexia Websites - AED Position Statement on Pro-Anorexia Websites (Statement der Academy for Eating Disorders Text von Prof Marsha Marcus)
veröffentlicht unter:

http://www.aedweb.org/policy/pro-anorexia_sites.cfm (aufgefunden 24.2.2005)

 

Literatur:

Andrist LC (2003) Media imgaes , biody dissatisfaction, and disordered eating in adolescent women. Am J Matern Child Nurs MCN 28: 119-123.

Pollack, D (2003) Pro-eating Disorder Websites: What Should be the Feminist Response? Feminism & Psychology, 246f.

 

W E B  E X C L U S I V E
Anorexia Goes High Tech
A wave of pro-anorexia web sites has flooded the Internet, providing dangerous support and how-to tips to a new generation of anorexics. TIME.com's Jessica Reaves investigates 
By JESSICA REAVES