Univ.-Prof. Dr. Andreas Karwautz

Schmidt & Treasure
Die Bulimie besiegen

Ulrike Schmidt & Janet Treasure: „Die Bulimie besiegen“, Beltz Verlag, 2001, ISBN: 3407228236; 219 Seiten, Preis etwa 16 €. (Besprechung zuerst erschienen im Newsletter Okt 2004 der ÖGES (www.uibk.ac.at/oeges)

 

„Die Bulimie besiegen“ ist als Selbsthilfenbuch konzipiert, das ursprünglich von 2 in Europa führenden Expertinnen für Patienten der Maudsley Hospital Essstörungsklinik in London geschrieben wurde und auf Grund des großen Erfolgs dort für ein breiteres Publikum zugänglich gemacht wurde.

In einer klaren, einfachen Sprache wendet es sich an Betroffene und „Helfende“ mit einem großen „Schatz“ an praktischer Erfahrung und gibt tatsächlich ein „Überlebensset“ mit auf den Weg zur Besserung.

Die Grundzüge der Bulimia nervosa und anderer Binge Eating Störungen werden klar und deutlich erklärt.

 

Am Anfang stehen eine Selbsteinschätzungsliste und Hinweise, wie das Buch anzuwenden ist sowie Überlegungen zur Motivation für Veränderung des problematischen Verhaltens Heisshungeranfall, Erbrechen, Abführen,….

 

Eines der ersten Kapitel beschäftigt sich mit „Werkzeugen zur Reise“, z.B. einem therapeutischen Tagebuch und gibt Problemlösungsstrategien im Allgemeinen.

Ein weiteres Kapitel ist Diäten, Gewichtsnormen, gesellschaftlichen Einflüssen, BMI und Setpoint-theorie gewidmet und geht auf das Wiedererlernen von Kontrolle über das Essen sowie auf das Beenden von Heisshungeranfällen ein. Weitere Kapitel beziehen sich auf Medikamentenmissbrauch und wie man damit aufhören kann sowie auf Methoden um das Erbrechen aufzugeben.

 

Weiter auf der Reise zur Besserung geht es um das Erlernen von „sich in seinem Körper wohl fühlen“ und um das „auf sich und seinen Körper schauen“.

Viel Raum wird dem Einblick in psychische Ursachen gegeben. Ein großes Augenmerk wird auf Selbstbewusstseins-training gelegt.

Den meisten Kapiteln ist ein Anhang mit weiteren Literaturempfehlungen angefügt.

 

Was diesen Ratgeber/dieses Arbeitsbuch von den vielen anderen unterscheidet ist, dass er sich auf Verhaltens-änderungen konzentriert, die für den Erkrankten notwendig sind, um ein glücklicheres und erfüllteres Leben zu erreichen.

Neben dem deutschen Selbsthilfebuch liegt (bisher leider nur im englischen Original: Schmidt & Treasure: A clinician’s guide to getting better bit(e) by bit(e): London, Psychology Press, 1997, 240 Seiten, etwa 50 Dollar; ISBN: 0863777309) auch ein Arbeitsbuch vor, das in der Therapie gut einsetzbar ist und weitere Materialien beinhaltet (deutsche Übersetzung von wichtigen Teilen durch Karwautz und Treasure 1999).

 

Inzwischen liegen mehrere wissenschaftliche Untersuchung zur Wirksamkeit von Selbsthilfe und im Speziellen dieses Manuals vor. Selbsthilfemanuale als begleitete und als nicht-begleitete hat eine grosse Wirksamkeit und kann in der Erstversorgung mit gutem Erfolg eingesetzt werden. Das wurde in Untersuchungen der Entwicklergruppe des Manuals in London (Treasure et al. 1996, Troop et. al 1996) und auch an der deutschen Übersetzung (Thiels et al, 1998a, Thiels et al. 1998b, Thiels et al.2000, Thiels et al. 2003), sowie verwandter Manuale (Carter et al. 2003, Bailer et al. 2004) nachgewiesen.  So konnten etwa 30 % der Patientinnen mit BN mittels Bearbeitung des Selbsthilfemanuals innerhalb von 8 Wochen plus bis zu 8 Sitzungen kognitiver Verhaltenstherapie vollständig symptomfrei werden (Treasure et al. 1996), wobei sich der Effekt nach 1 ½ Jahren noch verstärkte (40 % komplette Remission). Das Standardverfahren Kognitive Verhaltenstherapie war dem hier beschriebenen sequentiellen Vorgehen (Selbsthilfemanual dann VT) nicht überlegen, sondern ergab ganz ähnliche Ergebnisse. Entscheidend für die Heilung mittels Manual ist allerdings die Compliance (Troop et al. 1996). Die deutsche Version zeigte ganz ähnliche Ergebnisse (Thiels et al. 1998a, 1998b). Besonders ist auch hier hervorzuheben, dass in beiden Therapiearmen die Erfolgsraten ¾ Jahr nach Abschluss der Therapie bei etwa 70 % lagen. Diese guten Ergebnisse der Selbsthilfemanuale bei BN waren eigentlich nicht erwartet worden, sind aber für den Einsatz dieser Therapieform im Alltag durchaus ermutigend. Bei Patienten mit großer Häufung von Heisshunger-anfällen ist die Erfolgsrate allerdings deutlich geringer (Thiels et al. 2000), was dort individuelle Therapie unverzichtbar macht. Auch eine 4-Jahres Nachuntersuchung weist auf die Stabilität der Erfolgsrate sowohl in der Selbsthilfe als auch der klassischen VT Vergleichsgruppe (Thiels et al. 2003).

 

 

Schmidt & Treasure: A clinician’s guide to getting better bit(e) by bit(e): London, Psychology Press, 1997, 240 Seiten, etwa 50 Dollar; ISBN: 0863777309

Treasure, Schmidt, Troop, Tiller, Todd, Turnbull (1996) Br J Psychiatry 168: 94-98.

Troop, Schmidt, Tiller, Todd, Keilen, Treasure (1996) Br J Clin Psychol 35: 435-438.

Thiels, Schmidt, Treasure, Garthe, Troop (1998a) Am J Psychiatry 155: 947-953.

Thiels, Schmidt, Treasure, Garthe, Troop (1998b) Nervenarzt 69: 427-436.

Thiels, Schmidt, Troop, Treasure, Garthe (2000) Eur Eat Disord Rev 8: 272-278.

Thiels, Schmidt, Treasure, Garthe (2003) Eat Weight Disord 8: 212-217.

Carter, Olmsetd, Kaplan, McCabe, Mills, Aime (2003) Am J Psychiatry 160: 973-978.

Bailer, de Zwaan et al. 2004: Int J Eat Disord 35: 522-537.

 

 

Univ.-Prof. Dr. Andreas Karwautz & Dr. Andrea-Hafferl-Gattermayer

Essstörungsambulanz für Kinder und Jugendliche, AKH, Wien